
Ein von mir sehr geschätzter Song hat im Anfang eine sehr markante Zeile:
In the Absence of Light, Darkness prevails
Daran musste ich denken als ich mir Zeile fürs Wochenende aus diversen Internetforen und Touristikseiten gesucht habe. Eine der „Attraktionen“ ist der jüdische Friedhof der Stadt und direkt daneben das Mahnmal zum Gedenken an die jüdische Deportation aus dem „Ghetto Litzmannstadt“ in die verschiedenen Vernichtungslager in Polen, der Bahnhof Radegast.
Auf dem Friedhof ist unter anderen ein Massengrab mit rund 40.000 Opfern des Ghettos beheimatet und als bleibende Erinnerung ein Graben den Juden für ihre eigene Hinrichtung ausheben mussten. Glücklicherweise kam es nicht mehr zu dieser Hinrichtung, den nahenden russischen Truppen sei dank.
Die Abwesenheit von Licht lässt die Dunkelheit obsiegen. Wie dunkel muss es sein damit ein solches Vorgehen als gerechtfertigt akzeptiert werden kann, das akzeptiert und aller Kraft durchgesetzt werden kann, das Menschen auf diese Weise herabgewürdigt werden, gequält und ermordet werden nur weil sie an etwas anderes glauben.

Ich möchte gern jedem Besucher nahe lagen das Mahnmal am Bahnhof Radegast aufzusuchen. Ich habe es nicht bedauert. Es ist etwas anderes als die offensichtlichen Gedenkstätten wie Auschwitz oder Buchenwald. Das Mahnmal besteht aus dem Bahnhof selbst, der eine Ausstellung beinhaltet, dahinter 6 großen Grabsteinen, die die Vernichtungslager symbolisieren und einem Langen Tunnel, der den Weg der Juden darstellen soll der, symbolisch, in einem Krematorium endet.
Die Umsetzung ist meiner Meinung nach sehr gut gelungen, dar nicht mit den Offensichtlichkeiten der Lager gearbeitet wird, sondern mit der unterschwelligen Monstrosität des Verbrechens. Gerade die Verladelisten an den Wänden, die je näher man dem Ende kommt durch Schlüssel, Scherben und andere persönliche Gegenstände unterstützt werden, erhalten immer einen menschlichen Bezug im kalten Tunnel….
über 200.000 Menschen in kaum mehr als 4 Jahren

Ich glaube das jeder Ausstellungen zu dem Thema anders wahr nimmt und auch jeder einzelne Ausstellungsstücke anders aufnimmt. Wie in Polen nicht unüblich, gibt es zu den Ausstellungstücken und Plätzen keine deutsche Beschreibung. Was ich natürlich verstehen kann, aber auch bedauere. Ich meine dass das „Ergebnis“ des Ghettos alle zu Verlierern gemacht hat, wenn auch auf komplett verschiedenen Ebenen des Verlustes. Für die Opfer ist der Verlust wohl sehr viel direkter spürbar als für mich, einen Nachkommen der Täter der zweiten oder dritten Generation.
Ich tute mich schwer damit mich direkt schuldig zu fühlen für das was hier passiert ist. Ich bin 1972 geboren, lange nach dem Krieg. Trotzdem bin ich der Meinung dass das was hier geschehen ist immer noch ein lebender Bestandteil unserer Gesellschaft ist. Es gibt immer noch genügend Deutsche die mit den Ideen des dritten Reiches sympathisieren und dessen Ideen vertreten.
Für mich erschütternd war der Anblick einer Karte die „Litzmannstadt“ zeigt, aus dem Jahre ’41 oder ’42, gründlich und schnell umbenannt in deutsch klingende Namen. Da steht unser Hotel plötzlich in der Ostlandstraße und mündet in die Königsberger Chaussee. Ich kann nicht mal mehr genau die Namen benennen, eigentlich sind die genau auch nicht so wichtig, hat mich doch das große Ganze erschüttert. Vor allem da Teile der Straßen in dem bereich wo unser Hotel steht gut nachzuvollziehen sind. Aber der Weg ab der Grenze zum Ghetto nicht mal in Bruchstücken wieder zu erkennen ist.

Ich meine das ein Besuch hier oder an vergleichbaren Plätzen mit der Wahrnehmung in der eigenen Muttersprache die sympathisierende Stimme etwas leiser werden lassen wird. Gerade wir Deutschen sollten nie vergessen was hier passiert ist. Ich meine auch das gerade die Plätze in Polen wichtig sind, da Lager wie Kulmhof oder Auschwitz sich wohl nur bedingt mit Lagern „im Reich“ vergleichen lassen. Ging es in Buchenwald noch um Arbeit (und die damit verbundene maximale Ausbeutung) ging es hier nur noch um maximale Effizienz bei der Vernichtung.
Am Ende ist es sicher nicht meine Schuld, aber es ist sicher meine Verantwortung. Die Verantwortung die Geschichte am Leben zu halten und das Andenken nicht verblassen zu lassen. Ich denke das wir Deutschen zu Recht stolz sein können auf unsere Geschichte, schließlich hat sie Leute wie Goethe, Schiller oder Einstein hervorgebracht. Aber wir müssen auch die Verantwortung dafür zeigen dass sie Leute wie Hitler, Himmler und Heydrich hervor gebracht hat.
Wir sollten unser Licht hell scheinen lassen und mit denen teilen den wir es genommen haben, damit es nie wieder so dunkel wird….
M
